The Female Health Lab – Warum Frauen ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen sollten

3. August 2020

Ich bin gerade dabei, die ersten Zeilen für den Auftakt zu „The Female Health Lab“ – die neue monatliche Kolumne zum Thema Frauengesundheit hier bei femtastics – zu schreiben, als mein Freund zum vierten Mal ins Büro platzt und mich unterbricht. Ich befinde mich in Phase vier meines Zyklus‘ – der Lutealphase. Mein destruktives Selbst ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, ich nicht sehr stressresistent und bereit, jeden Moment auszuholen. Mein Geduldsfaden auf Zerreißprobe. Atmen, tief atmen, denke ich. Zum Glück erkennt mein Freund die Situation und tritt umgehend den Rückzug an, nicht jedoch, ohne mir einen besänftigenden Kuss zu geben.

Was auf eine partnerschaftliche Imbalance schließen könnte, ist ein Produkt von PMS, das sich bei mir von Zeit zu Zeit in so starken Stimmungsschwankungen äußert, dass ich an manchen Tagen nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen würde, mir zu begegnen. Dank jahrelanger Auseinandersetzung mit meinem Körper sind die tiefsten Tiefen dieser Phase mittlerweile Geschichte. Bemerkbar macht es sich trotzdem noch. Und deswegen mache ich mich jetzt bemerkbar – in meinem Umfeld. Damit alle wissen, woran sie sind. Auch mein Freund. Als Doula rede ich offen mit ihm über das, worum es fortan in dieser Kolumne gehen soll: Frauengesundheit.

Wie wir menstruieren wäre ein wichtiges Indiz dafür, ob der Körper einer Frau gesund ist – sowohl in der Traditionell Chinesischen Medizin als auch im Ayurveda ist das bekannt.

Als Gegenspieler von Krankheit wird Gesundheit oft erst im Zusammenhang mit einer solchen Thema. Solange alles passt, möchte kaum jemand darüber reden. Erst wenn der Körper bereits krank ist oder uns mit physischen oder psychischen Beschwerden auf etwas aufmerksam machen will, schauen wir genauer hin. Bei Frauen werden diese Beschwerden recht schnell sehr komplex, wenn sie nicht ganzheitlich betrachtet werden. Fun fact: Wie wir menstruieren wäre ein wichtiges Indiz dafür, ob der Körper einer Frau gesund ist – sowohl in der Traditionell Chinesischen Medizin als auch im Ayurveda ist das bekannt. Welche Farbe und Beschaffenheit hat das Blut, wie stark ist die Blutung, geht sie mit Schmerzen einher? Aber wann wird Frau dergleichen bei einem schulmedizinischen Arzt schonmal gefragt? So gut wie nie! (Und natürlich gilt das nur für Frauen, die menstruieren. Was wiederum nicht heißt, dass alle Frauen menstruieren.)

Es scheint, es liegt an uns, dieses Wissen aus der Versenkung zu holen und wieder salonfähig zu machen. Es scheint, es liegt an uns, uns unserer Vielseitigkeit wieder bewusst zu werden, auch wenn das heißt, dass wir uns hierfür unseren Schwächen stellen werden. Denn: wir Frauen sind zyklische Wesen. Das offenbart sich Monat für Monat, aber auch innerhalb unseres gesamten Lebens, in dem wir verschiedene Phasen durchlaufen. Mal stark, mal schwach. Mal liebevoll im Umgang mit uns, mal selbstzerstörerisch. Mal kreativ, mal im Rückzugsmodus. All diesen verschiedenen Etappen liegen nicht nur körperliche, sondern vor allem seelische Veränderungen zugrunde. Unser Wohlbefinden hängt davon ab wie wir diese durchlaufen.

Natürlich sind wir uns einig, dass Gesundheit alle angeht, nicht nur Frauen. Doch der weibliche Körper tickt nunmal grundsätzlich anders als der eines Mannes und wir haben in den letzten Jahrzehnten schlecht daran getan, das zu ignorieren.

Stephanie Johne ist Doula und Female Health Mentorin und lebt und arbeitet in Wien und Berlin.

Und dafür braucht es gleich eine eigene Kolumne? Braucht es! Auch wenn wir uns natürlich einig sind, dass Gesundheit alle angeht, nicht nur Frauen. Doch der weibliche Körper tickt nunmal grundsätzlich anders als der eines Mannes und wir haben in den letzten Jahrzehnten schlecht daran getan, das zu ignorieren. Während das vor 500 Jahren zwar noch nicht im heutigen medizinischen Sinne verstanden und bewiesen werden konnte, wurde es von den Frauen damals doch gelebt. Viel von diesem wichtigen Wissen ist in Europa im Zuge der Hexenverfolgung verloren gegangen. Die Emanzipation mit ihrem Wunsch, dem Manne nachzueifern, hat diesem schmerzlichen Verlust die Krone aufgesetzt. Auf einmal haben wir uns alle wiedergefunden, wie wir im Dienste der Emanzipation Tag für Tag eine rosarote Pille schlucken und unser gesamtes System unterdrücken. Natürlich ist die Pille nicht per se schlecht, oder eben nicht alles an ihr. Ihre aggressive Vermarktung und die fehlende Aufklärung aber waren es. Erfunden wurde die Pille übrigens von einem Mann und gerade hat sie so gar keine gute Zeit, weil Frauen angefangen haben, Fragen zu stellen.

 Dass in Zukunft mehr Aufklärung stattfinden muss, darin ist sich die aktuelle #fempowerment-Bewegung einig. Immer mehr Marken widmen sich deswegen den Themen Frauengesundheit und immer öfter sind Frauen selbst die Initiatorinnen. „Yona Care“ definieren gynäkologische Instrumente neu – ihr Speculum ist nicht aus kaltem grauen Stahl, sondern aus Silikon und in freundlichen Farben erhältlich. Das Schwestern-Duo von „Ovy“ widmet sich dem Thema „natürlich Verhüten“ auf zeitgemäße Art und Weise, und die Gründerinnen der Berliner Agentur „goalgirls“ leben sogar einen zyklischen Büroalltag und machen ihre Schwächen zu ihren Stärken, wie sie im Interview mit femtastics berichten. Von Frauen für Frauen – und das waren nur einige Beispiele. Genauso ist es beim Thema Gesundheit: Gesundheitsinitiativen und Entscheidungen auf politischer Ebene sollten von Frauen kommen. Wer keinen Uterus hat, sollte nicht über diesen entscheiden dürfen, Punkt.

Dabei ist es auch wichtig zu verstehen, dass ein Großteil unseres jetzigen Wissensstandes eine verheerende Vergangenheit hat. In Europa geht sie unter anderem zurück auf Ärzte wie Carl Clauberg, Horst Schumann oder Eduard Wirths (ich weigere mich, ihnen ihre Doktortitel anzuerkennen), die Frauen während der NS-Zeit gegen deren Willen und „im Dienste der modernen Gynäkologie“ zu Versuchszwecken missbraucht haben. Und das ist längst nicht einfach Geschichte. Claubergs Arbeiten zur Geburtenregelung und Unfruchtbarkeit sind bis heute Teil des medizinischen Kanons – ohne dass seitens der Pharmaindustrie und Schulmedizin offen darüber gesprochen wird. Ich kann jeder Frau nur nahelegen, sich damit auseinanderzusetzen und zu verstehen, woher viele dieser vermeintlichen Errungenschaften stammen und ob wir diese als solche wirklich anerkennen wollen.

Frauengesundheit findet auf vielen Ebenen statt – auf spiritueller, auf emotionaler und eben auf körperlicher – und muss dann Einzug in unseren Alltag halten, wenn wir noch nicht krank sind.

Viel wichtiger als das, was auf schulmedizinischer Ebene passiert, ist aber ohnehin der sehr persönliche Umgang mit dem eigenen Körper. Frauengesundheit findet auf vielen Ebenen statt – auf spiritueller, auf emotionaler und eben auf körperlicher – und muss dann Einzug in unseren Alltag halten, wenn wir noch nicht krank sind. Deswegen wird sich diese Kolumne fortan mit allen möglichen Themen rund um Menstruation, Hormon-Balance, Ernährung, Sexualität, Verdauung, Self-Care, Fruchtbarkeit, Yoga für Frauen, Womb Wellness, Ayurveda, TCM, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Menopause und, und, und befassen. Wie ernähren wir uns als Frauen richtig, wie lernen wir, im Einklang mit unserem Zyklus zu leben, warum ist das überhaupt empfehlenswert? Was passiert jeden Monat hormonell in unserem Körper? Was ist die Ayurveda-Perspektive des „schwarzen Mondes“? Was kann Yoga Nidra für uns Frauen tun? Was sind adaptogene Kräuter? Und was hat das alles mit modernem Feminismus zu tun?

Diese Kolumne ist ein Leitfaden und dient als Inspiration, um in Harmonie mit dem weiblichen Zyklus und dem weiblichen Körper zu leben. Dabei richtet sie sich aber auch an alle Menschen, die sich in welcher Form auch immer als Frau verstehen. Sie will zu keinem Zeitpunkt jemanden ausschließen, wird aber auch nicht immer alle Menschen einschließen können. Ich hoffe ihr habt dafür Verständnis. Ich möchte mit dieser Kolumne nicht den Zeigefinger erheben, sondern inspirieren und helfen, die richtigen Fragen zu stellen und möglichst viele Antworten zu finden! Sie ist ein Blick in meinen Alltag, beleuchtet Trends in Sachen Frauengesundheit, deckt auf und ist schlicht und ergreifend ein kleines Plädoyer dafür, unseren Körper in all seinen Facetten anzuerkennen und wertzuschätzen. Nichts von dem, was ich hier vorstelle, ist etwas für jede von uns. Jede von uns entscheidet, was davon zu ihr passt und sie in ihr Leben lassen möchte.


The Female Health Book Club:


Über die Autorin:

Stephanie ist Doula und Female Health Mentorin und lebt und arbeitet in Wien und Berlin. Nach der Geburt ihres Sohnes beschloss sie kurzerhand das österreichische Doula Training bei Angelika Rodler und die DONA-Ausbildung bei Debra Pascali-Bonnaro zu absolvieren. In den Jahren darauf folgten eine Kundalini Yoga Doula-Ausbildung bei Gurujagat, das Postpartum Training bei Kimberly Ann Johnson und eine Vaginal Steaming Facilitator- und Ayurveda-Kochausbildung. Im Moment steckt sie mitten in der Ausbildung zum Holistic Health & Wellness Coach und Katonah Yoga-Teacher. Stephanie arbeitet außerdem als Journalistin und Autorin zu den Themen Gesundheit, Fempowerment und Spiritualität. Im Herbst erscheint ihr Buch zum Wochenbett und gerade hat sie das Wellness-Label „Joni Joni“ gegründet.

 

Hier findet ihr Stephanie Johne:

   

Fotos: Hadas Strobl-Aloni Photography

Illustration: Helena Ravenne

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