Frau Dr. med Annemarie Braun ist Frauenärztin, setzt sich seit Jahrzehnten für hormonfreie Verhütungsmethoden ein und untersucht den Einfluss synthetischer Hormone auf den weiblichen Körper. Neben ihrer Tätigkeit als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe hat sie sich auf die Bereiche der alternativen Traumatherapie, der Homöopathie, Akupunktur und Bachblüten-Therapie spezialisiert. Sie erklärt, was die Antibabypille mit dem weiblichen Körper macht, welche Alternativen es in Sachen Verhütung gibt, wie man den Körper bei einer Umstellung auf ein hormonfreies Leben begleitet und warum Frauen, die die Pille nehmen, von Männern in der Arbeitswelt offenbar als Gefahr wahrgenommen werden.
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Dr. Annemarie Braun: Die Nebenwirkungen der Pille sind exorbitant, zumal man das Alter der jungen Frauen, die die Pille nehmen, noch weiter nach unten gesetzt hat. Die Konsequenzen daraus erleben wir, wenn diese Frauen später schwanger werden wollen oder wenn die Unverträglichkeit so heftig wird, dass die Pille aus diesem Grund abgesetzt werden muss.
Die Pubertät ist eine wichtige Zeit, in der sich der Körper auf einen eigenen Rhythmus einstellen soll, und insbesondere der Bereich der Hormone ist ein hochsensibles Feld. Künstliche Hormone, wie die in der Pille, stellen eine extreme Störgröße dar, weil sie in die zentrale Basiskonfiguration unserer hormonellen Aktivitäten eingreift. Gerade wenn die hormonelle Verhütung bei jungen Frauen angewendet wird, wird ihre hormonelle Basis komplett durcheinander geworfen und es kann passieren, dass sich der Körper gar nicht erst auf die eigene Weiblichkeit einstellen kann. Das hat wiederum extreme Konsequenzen für die Entwicklung der Sexualität, für das Wachstum und die Körperkonfiguration – aber auch dafür, wie das Mädchen oder die Frau Stress aushalten kann.
Wir sind heutzutage allgemein extrem stressanfällig, da unsere eigene Hormonproduktion häufig keinen festen Rhythmus mehr hat. Frauen haben, im Gegensatz zu Männern, einen zyklischen Rhythmus. Wenn man diesen Rhythmus synthetisch stoppt, kann der Körper auf mögliche Gefahren, die ihm von außen begegnen, nicht oder nur verzögert reagieren. So werden wir gegenüber Stress weniger resistent, egal in welchem Alter.
Mit der Pille forciert man entweder einen unnatürlichen, minutiös abgestimmten Zyklus, bei dem die Blutung quasi erzwungen wird. Oder es findet die absolute Desynchronisation statt, indem man eine Pille nimmt, die erst gar keine Blutung mehr zulässt. Beides kann zu extremen Auswirkungen führen. Ich spreche jetzt nicht von unmittelbar bemerkbaren Dingen wie Gewichtsschwankungen, Depressionen oder emotionalen Störungen. Viel schlimmer sind die Nebenwirkungen, die aufgrund der schleichenden Veränderungen im Körper entstehen. Das sind zum Beispiel Durchblutungsstörungen, Thrombosen, Venenentzündungen oder Verengungen von Gefäßen, die zu einer Verstopfung dieser führen können.
Ja, leider gibt es da einen eindeutigen Zusammenhang. Aber viele junge Frauen sind durch die Werbeindustrie, durch ihre Vorbilder und ihre Freundinnen so konditioniert, dass es vor allem darum geht, schön auszusehen. Da gibt es dann Pillen, die die Haut oder die Haare schön machen, oder solche, die die Brüste wachsen lassen. Diese Effekte sind für viele junge, aber auch ältere Frauen hochwertiger als die langfristige Gesundheit, so dass die Nebenwirkungen gar nicht erst durchgelesen werden. Frei nach dem Motto: „Wenn ich es nicht lese, passiert es mir auch nicht.“
Die Pille, also die hormonelle Therapie, ist das größte Geschäft, das es für die Pharmaindustrie gibt. Neben Grippostad und der Chemotherapie hat die Medizin bislang nichts erfunden, was für die Industrie ähnlich gewinnbringend ist wie die Antibabypille.
Ja. Häufig werden beispielsweise Mädchen, die auf eine Spirale setzen, von Anfang an dazu angehalten, besonders wachsam im Bezug auf mögliche Veränderungen oder Reaktionen des Körpers auf die Spirale zu sein. Das ist etwas, was bei einer Frau, die die Pille nimmt, oftmals vernachlässigt wird. Oft werden die Hormone einfach eingenommen, dem eigenen Körper wird aber wenig Beachtung geschenkt.
Ja, sehr deutlich. Da steht an erster Stelle die Gewichtssituation. Man kann sofort sehen, wenn eine junge Frau ein Jahr lang die Pille eingenommen hat. Die Haut wird teigig, da sich in ihr jede Menge Wassereinlagerungen abspeichern. Bei den meisten Frauen pendelt sich das nach einer gewissen Zeit wieder ein. Aber Zellen können sich erinnern und lagern unter Belastung manchmal wieder Wasser ein. Das passiert hingegen bei Frauen, die immer die Spirale oder ganz auf Hormone verzichtet haben, nicht. Ihr Immunsystem ist meist besser aufgestellt, auch weil Sexualhormone viel mit den Nebennieren zu tun haben. Durch das dort produzierte Cortisol wird beispielsweise das Immunsystem aktiviert oder eben deaktiviert. Frauen, die keine synthetischen Hormone zu sich genommen haben, können häufig besser auf Infektionen oder bestimmte Erkrankungen reagieren.
Es kommt beispielsweise wesentlich häufiger zu Augenerkrankungen, bedingt durch Durchblutungsstörungen im Auge. Und es gibt auch mehr Fälle von Tinnitus, der wiederum durch Durchblutungsstörungen im Ohr ausgelöst wird.
Ja, auch das ist richtig und ein hochinteressantes Phänomen. Durch die Einnahme der Pille kann der Körper keine typischen Pheromone mehr produzieren, also Geruchshormone, die dem Schutz, aber auch der Fortpflanzung dienen.
Zum Beispiel im Wasser, im Grundwasser. Dort lagern sich die Hormone, die ursprünglich über den Urin in den Kreislauf geleitet wurden, auf Dauer ab. Es gibt mittlerweile gar Unternehmen, die sich auf die Produktion von hormonfreiem Mineralwasser konzentrieren. Da steht dann „Unser Wasser ist Hormonfrei“ auf der Flasche.
Frauen, die ihren Körper gut kennen, hilft oft die Temperaturmessung über ein Thermometer. Dieses wird mit einem Computer oder mit einer App synchronisiert und gibt vor, wann die Frau fruchtbar ist und wann nicht und wann der Eisprung zu erwarten ist. Zusätzlich gibt es Teststreifen, über die man anhand des Urins erkennen kann, ob gerade ein bestimmtes Hormon produziert wird. Die Fehlerquote liegt in diesem Bereich bei drei bis fünf Prozent, was sehr wenig ist. Und dafür hat man vor allem keine Nebenwirkungen und lernt die körpereigenen Signale zu lesen.
Ebenso wie das Kondom für den Penis gibt es das Diaphragma für die Vagina. Anlässlich einer gynäkologischen Untersuchung schätzt die Frauenärztin die entsprechende Größe des Diaphragmas für die Frau ein, rezeptiert es und damit kann es dann in der Apotheke bestellt werden. Zu den kritischen Zeiten führt die Frau das Diaphragma wie ein Kondom in die Scheide ein. Nach dem Verkehr wird das Diaphragma wieder entfernt und gereinigt und dann kann es wieder benutzt werden.
Da die hormonelle Situation der Frau sich allmählich wieder der ursprünglichen Prägung anpassen kann, kommt nach einiger Zeit auch der ursprüngliche Geruchssinn und auch der eigene Körpergeruch wieder zurück. Das kann tatsächlich auch dazu führen, dass man sich nach Absetzen der Pille plötzlich zu anderen, beziehungsweise anders riechenden Menschen hingezogen fühlt. Ich hoffe, aktuellere Studien werden uns noch differenzierte Erkenntnisse darüber liefern.
Auffällig ist, das nach dem Absetzen der Pille tatsächlich häufig Zystenbildungen entstehen, da der Eierstock ziemlich durcheinander ist. Er produziert nun all diese Hormone und lässt dadurch viele kleine Follikel wachsen. Irgendwo müssen diese Informationen aber hin, da sich zahlreiche Hormon-Informationen am Eierstock in der „Warteschleife“ befinden. Dadurch entsteht ein Syndrom, bei dem das eigentliche Eierstockgewebe durch kleine Mini-Zysten verdrängt wird. Die Zysten sind oftmals nicht viel größer als einem Zentimeter. Frauen, die sich in dieser Umstellung befinden, haben daraufhin manchmal Schwierigkeiten, schwanger zu werden.
Dieser Zusammenhang besteht eindeutig und es gibt unheimlich viele Diskussionen und Thesen, die sich exakt diesem Thema widmen. Ich habe so viele Patientinnen, die von einer Praxis zur nächsten geschickt worden sind. Frauen, die teilweise Antidepressiva genommen haben, weil sie nicht wussten, was mit ihnen los ist. Frauen, die durch die Pille depressiv werden, sind ja regelrecht stigmatisiert aufgrund der Einnahme der Hormone. Mit ihrer Psyche stimmt ansonsten möglicherweise alles, aber dennoch redet man sich das Gegenteil ein.
Es ist wichtig, dass man als Frau nach dem Absetzen aufgefangen wird, denn erstmal fällt man natürlich in ein Hormonloch. Man kann diese Zeit beispielsweise mit naturidentischen Hormonen begleiten. Da gibt es zum Beispiel die Yamswurzel, die Progesteron beinhaltet: einen Stoff, der den Zyklus mitbestimmt und unter anderem auch dafür sorgt, dass eine Schwangerschaft gehalten wird. Progesteron hat aber auch noch ganz andere wichtige Funktionen. Es schützt das Immunsystem und den Herzmuskel und – was ganz wichtig ist – es kann Stress, also körpereigene Erschöpfungszustände, regulieren. Das körpereigene Progesteron wird während der Einnahme der Pille unterdrückt. Wenn man aber nach dem Absetzen der synthetischen Hormone den naturidentischen Stoff aus der Yamswurzel einnimmt, hat man die Möglichkeit, kritische Phasen im Leben einer Frau – das sind zum Beispiel die Pubertät, die Schwangerschaft oder die Wechseljahre – auszugleichen und zu unterstützen, was beispielsweise auch Fehlgeburten verringern kann. In diesen Übergangsphasen lernt der Körper dann wieder, sein eigenes Progesteron zu produzieren.
Oft hilft es, Vitamine aus der B-Reihe zu ersetzen, da diese nach dem Absetzen sozusagen aus dem Körper hinaus eliminiert werden. Dazu gehört Folsäure, Vitamin B12, B3 und B6. Die gibt es alle als Zusatzpräparate und sie sind so wichtig, weil genau diese Vitamine einen möglichen Herzinfarkt verhindern können. Man kann die Umstellung auch durch die richtige Ernährung unterstützen, durch sehr viel grünes Gemüse, das allgemein Vitamin B enthält oder eine insgesamt sehr ausgewogene Ernährung.
Das ist von Frau zu Frau unterschiedlich und hängt unter anderem davon ab, wie lange die Pille eingenommen wurde. In der Regel merkt eine Frau, dass die Übergangsphase abgeschlossen ist, wenn sie sich in ihrem Körper wieder wohl fühlt. Bis der Körper wieder auf Normalität umschaltet, bedarf es durchschnittlich neun Monate, etwa so wie eine Schwangerschaft. Wenn er sich in dieser Zeit nicht reguliert hat, dann ist wahrscheinlich aufgrund der Pilleneinnahme ein potenzielles Problem aufgetreten.
Diese Frauen haben keine Blutungen mehr. Ich habe teilweise schon Patientinnen in der Praxis gehabt, die ein bis zwei Jahre keine Blutung bekommen haben.
In solchen Fällen muss man intensiv mit alternativen Stoffen arbeiten. Dafür bieten sich zusätzlich Stoffe aus der TCM-Medizin an und es müssen bestimmte Aminosäuren ersetzt werden, die durch die synthetischen Hormone verloren gegangen sind oder die der Körper nicht mehr richtig aufnehmen kann. Das kann man mit bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln versuchen, oder manchmal, in extremen Fällen, mit einer extra für die Frau hergestellten Infusion.
Das ist manchmal auch erforderlich. Man braucht dann quasi ein naturidentisches Powerhormon, um die Blutung wieder einzuleiten. Nur synthetisch sollte es nicht sein. Es gibt eine Zusammensetzung aus naturidentischem Progesteron und einem natürlichen Östrogen, was man sonst in den Wechseljahren verwendet, das nicht die Nebenwirkungen synthetischer Hormone zeigt.
Unser Körper ist ein Wunderwerk in Sachen Regeneration, das sieht man ja auch bei anderen Krankheitsbildern. Die akuten Aspekte der Pilleneinnahme, wie Thrombosen oder Leberschädigung, sind aktuell noch nicht reversibel. Aber alles andere lässt sich mit der richtigen Behandlung eigentlich wiederherstellen.
Text: Anneli Botz
Illustration: Stefanie Berkmann für femtastics
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