Steht uns wieder ein heißer Sommer bevor? Die Statistiken sagen Ja. Extremwetter wie Hitzewellen, Starkregen oder Überschwemmungen werden immer häufiger. Die Jahre 2023 bis 2027 werden nach Angaben der Vereinten Nationen mit größter Wahrscheinlichkeit die heißesten fünf Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Schon heute ist die Erderwärmung um mehr als 1,2 Grad Celsius angestiegen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Das Ziel, unter 1,5 Grad durch Menschen verursachte Erderwärmung zu bleiben, ist kaum noch erreichbar.
Warum ist das potentiell fatal für uns – und alle Menschen, die nach uns kommen? Warum hat sich die internationale Gemeinschaft überhaupt auf 1,5 Grad geeinigt? In welcher Form leben wir schon jetzt in der Klimakrise und wie sollten wir darauf reagieren?
Über diese Fragen sprechen wir mit Milena Glimbovski, Unternehmerin (“Original Unverpackt”, “Ein Guter Plan”), Autorin und Zero-Waste-Aktivistin. In ihrem neuen Buch “Über Leben in der Klimakrise” setzt sich Milena mit Klimaangst und Klimaresilienz auseinander. Auch in diese Themen tauchen wir mit ihr ein.
Milena Glimbovski: Neueste Hochrechnungen zeigen, dass die 1,5 Grad Erderwärmung schon 2027 erreicht sein könnten. Wir sind in Deutschland bereits bei einer durchschnittlichen Erwärmung von 1,3 Grad. Es ist nicht so, dass bei dieser „Grenze“ plötzlich jemand aus dem Zauberkasten gesprungen kommt und bestimmte Dinge passieren. Es passiert natürlich vorher schon etwas. Bestimmte kritische Kipppunkt werden erreicht. Zum Beispiel beginnt der sibirische Permafrost zu schmelzen und ganz viel Methan wird freigesetzt. Methan ist 28 mal stärker als normales CO2, also auch ein Treibhausgas. Wenn bestimmte Gletscher schmelzen oder der Regenwald mehr CO2 ausschüttet als er einnimmt, dann sind bestimmte Kipppunkte erreicht.
Diese Kipppunkte lassen sich nicht rückgängig machen und Kettenreaktionen werden in Gang gesetzt. Deswegen hatten sich die Politiker*innen und die Menschen dieser Welt auf 1 Grad Erderwärmung geeinigt. Wir sehen jetzt schon, dass die Klimakrise da ist. Wir merken es an den heißen Sommern, wir merken es an den Dürren und Starkregen, der dann Fluten auslöst – zum Beispiel gerade in Norditalien oder im Ahrtal.
Die Wahrscheinlichkeit für Starkregen, Dürren, Hochwasser und Fluten steigt an. Die Sommer werden ganz konkret heißer. Die Inflation, die wir gerade auch beim Lebensmitteleinkauf spüren, ist nicht nur bedingt durch die Invasion in der Ukraine, sonder auch durch die Klimakrise.
Die Inflation, die wir gerade auch beim Lebensmitteleinkauf spüren, ist nicht nur bedingt durch die Invasion in der Ukraine, sonder auch durch die Klimakrise.
Ganz genau. In Hamburg und Bremen ist die akute Gefahr der Meeresspiegelanstieg. Durch den Meeresspiegelanstieg steigt die Gefahr für Hochwasser und Starkregen. Beides bedroht ganz konkret diese beiden Städte und natürlich alles, was dazwischen liegt.
Plötzlich versteht man, warum sich Menschen auf die Straße kleben und riskieren, in den Knast zu gehen. Sie sehen genau diese Gefahren. Es werden nicht nur Unmengen von Methan freigesetzt, sondern auch Bakterien und Viren. Wir wissen nicht, welche Pandemien auf uns zukommen.
Meine Haltung hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert, einfach weil ich sehr viel gelernt habe. Damit meine ich nicht nur den genialen PR Stunt der Ölindustrie, die uns weismacht, dass jede unserer Entscheidungen einen großen Einfluss hat. Klar, die haben einen Einfluss, aber nicht wirklich auf das Stoppen der Klimakrise.
Es war für mich tatsächlich emotional sehr schwierig, weil ich einfach 16 Jahre meines Lebens darauf hingearbeitet habe, nachhaltiger zu konsumieren. Jetzt denke ich, ich kann die Klimakrise damit nicht stoppen und die Umwelt nicht retten. Aber was ich bewegen kann, ist, inhabergeführte Läden zu unterstützen. Ich kann schauen, dass faire Arbeitsverhältnisse unterstützt werden, Menschen fair bezahlt werden und gute Arbeitsbedingungen haben.
Es muss Druck gemacht werden für strukturelle Veränderungen.
Die Klimakrise aufhalten kann man eher mit Aktivismus. Darum gehen viele Menschen jetzt auf die Straße. Es muss Druck gemacht werden für strukturelle Veränderungen. Ich habe in meiner Karriere mit sehr vielen Politiker*innen gesprochen, Europaabgeordnete und Bundestagsabgeordnete, die waren bei mir im Laden. Ich habe allen immer die gleiche Frage gestellt: Was kann ich machen, damit „da oben“ was passiert? Wie kann ich euch unterstützen? Wie kann ich Druck machen? Die Antwort war immer: „Der Wille muss von der Bevölkerung kommen. Wir können nur harte und große Veränderungen anstoßen, wenn wir merken, dass die Bevölkerung uns unterstützt.“ Man spielt sich also ein bisschen den Ball hin und her.
Aber das Individuum muss nicht seinen Konsum ändern, das Individuum muss einfordern, dass Gesetze eingehalten werden und entsprechend wählen. Es geht nicht darum, dass der Diesel günstig bleibt, sondern um langfristige Veränderung. Was passiert jetzt eigentlich hier für mich und meine Kinder und Enkelkinder?
Was braucht der Mensch? Der Mensch braucht Trinkwasser. Eine wichtige Maßnahme ist, dass wir lernen, rücksichtsvoller mit Wasser umzugehen. Nicht als private Konsument*innen, sondern auch die Kraftwerke, die sehr viel Trinkwasser verbrauchen und verwenden. Und natürlich die Industrie. Die Regierung ist schon dabei, einer nationale Wasserstrategie aufzusetzen inklusive Hierarchien.
Also was ist, wenn wir jetzt Ende des Sommers kaum noch Wasser haben? Wer darf eigentlich das übrig gebliebene Wasser verwenden? Diese Problematiken sind nicht theoretisch in der Zukunft, die finden schon in einzelnen Kommunen in Deutschland statt. Und sie sind jetzt schon im Frühling, in Frankreich, im Jahr 2023 absolut aktuell. Da gibt es radikale Verbote und zwar nicht, weil die Politik vorbeugen will, sondern weil es nicht anders geht. Die Leute dürfen ihre Pools nicht mehr füllen, die Leute dürfen ihren Rasen nicht mehr sprengen. Totz des nassen Frühlings sind die Wasservorräte nicht aufgefüllt.
Was können wir noch machen? Wir müssen Asphalt aufreißen, ganz viel Grün gestalten, Bäume pflanzen. Ganz klischeehaft, nicht nur wegen dem Sauerstoff, sondern weil Bäume Wasser speichern können. Meine Lieblingsmaßnahme der Klimaanpassung ist eigentlich die Naturalisierung oder Revitalisierung. Man überlässt die Natur einfach wieder sich selbst wieder, indem man Moore verbessert oder Landwirtschaft, die an Flüssen liegt, wieder zu Auen werden. Auen heißt, sie dürfen überschwemmt werden, wenn es Hochwasser oder Starkregen gibt. Wir brauchen Flächen, wo das Wasser gut versickern kann und wieder ins Grundwasser gelangen kann. Wir haben total viele Flächen versiegelt in der Stadt und auf dem Land und das ist ein großes Problem.
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Foto: Hans Scherhaufer
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