In der ersten Folge unserer dritten Staffel von “femtastics Deep Dive” widmen wir uns einem gefährlichen Trend: Antifeminismus auf Social Media. In unzähligen Videos propagieren Männer – aber auch Frauen – tradierte Rollenklischees und misogyne Inhalte. Mit ihrem Account @wastarasagt durchleuchtet oder enttarnt Tara-Louise Wittwer diese Videos und zeigt, was wirklich hinter ihnen steckt. Mit Tara sprechen wir darüber, woher dieser Antifeminismus-Trend kommt und welche neuen Formen er annimmt.
Tara-Louise Wittwer: Ich mache das schon etwas länger. Es fing damit an, dass ich 2020 ein Buch geschrieben habe über toxische Beziehungen. Dabei habe ich festgestellt, dass vor allem Frauen* unter Machtmissbrauch und Gewalt, auch emotionalem Missbrauch leiden. Ich bin immer weiter in das Thema eingestiegen, um zu verstehen, woher das kommt. Und Mitte 2021 habe ich angefangen, solche Videos zu posten, in denen ich gezielt auf toxische Social-Media-Inhalte reagiere.
Ich reagiere auf Videos von Menschen, die frauenfeindlich sind, sexistisch, internalisierte Misogynie ausleben und zelebrieren.
Ich reagiere auf Videos von Menschen, die frauenfeindlich sind, sexistisch, internalisierte Misogynie ausleben und zelebrieren. Und das sind nicht nur Männer, das sind auch Frauen. Und das sind nicht nur offensive Dinge wie „Die Frau* muss in der Küche sein!“, sondern auch verschwurbelte Aussagen wie „Die Energie deines Partners bleibt für sieben Jahre in deinem Körper.“ …
In gewisser Weise ist es allgemein ein Trend geworden, antifeministische Videos für „TikTok“ oder andere Plattformen zu produzieren. Aber speziell das Thema „männliche/ weibliche Energie“, das ist relativ neu. Ich sage mal, vor drei Jahren war das noch nicht so angesagt wie jetzt. Dabei geht es darum, misogyne Bullshit-Argumente auf Spiritualität zu beziehen und das Patriarchat zu reframen mit „Energien“, die uns „von Natur aus gegeben“ sind, sodass es sich verklärt und romantisch anhört – wobei man am Ende aber trotzdem will, dass die Frau* die Schnauze hält und in der Küche steht.
Das sagt man allerdings nicht direkt, sondern man sagt, es liege nicht „in der Natur“ der Frauen*, zu arbeiten, einen Job zu haben, bei Finanzen mitzureden. Frauen* seien einfach generell sehr sanfte Wesen und Männer dagegen starke Wesen. Und Frauen* sollen nicht „männliche Energie“ annehmen wollen. Sie sollen lieber einen Kuchen backen und Lipgloss auftragen. Und wenn eine Frau* das nicht macht, ist sie bemitleidenswert, weil sie aus unnatürlichen Ereignissen ihres Lebens in diese Rolle der „männlichen Energie“ gedrängt wurde.
Es geht darum, misogyne Bullshit-Argumente auf Spiritualität zu beziehen und das Patriarchat zu reframen.
Das ist auch bequem für Frauen*, die ein bisschen Angst haben, zuzugeben, dass sie einfach „nur“ Hausfrau und Mutter sein wollen. Und ich sage jetzt gezielt „nur“ – nicht, weil ich das denke; ich denke, es ist der krasseste Job von allen! Aber ich glaube, diese Frauen* haben Angst, dass es als „nur“ angesehen wird, und das Gefühl, dass sie sich andauernd rechtfertigen müssen. Nach dem Motto: „Wir haben so lange gekämpft, dass wir arbeiten und wählen und was auch immer dürfen. Und jetzt entscheidet ihr euch trotzdem nur für diese Option.“ Das ist natürlich komplett falsch gedachter Feminismus. Meiner Meinung nach sollte jede*r für sich entscheiden dürfen, was er oder sie im Leben machen will.
Oft lese ich aber so Kommentare wie „Aber ihr Feministinnen erlaubt uns das ja nicht!“. Und ich glaube, da kommt so eine spirituelle Lösung sehr gelegen, dass man sagt: „Ja, guck mal, du bist eigentlich bemitleidenswert, weil du arbeiten willst. Meiner ist der natürliche Weg.“
@wastarasagt Misogynie mit Klangschalen ist trotzdem Misogynie #tiktoxic ♬ Originalton – wastarasagt
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Foto Tara-Louise Wittwer: Lewis Jones