After-Baby-Body: Erst akzentuieren, dann kaschieren?

After-Baby-Body: Gibt es den Druck in Zeiten von Body Positivity noch?

Marie Jaster ist Journalistin und Gründerin des Online-Magazins „Beige.de“ – und seit Kurzem Mutter eines kleinen Sohns. Für uns schreibt die Berlinerin über das (leidige) Thema After-Baby-Body und wie sie es geschafft hat, ihren Körper während und nach der Schwangerschaft so anzunehmen wie er ist.

Marie Jaster ist seit Kurzem Mutter von einem kleinen Sohn.

Nur wenige Stunden nach der Geburt meines Sohnes stand ich im Krankenhaus vor dem Spiegel im weiß gekachelten Bad. Das weiße Netzhöschen hielt die „Surfbretter“-Riesenbinden an Ort und Stelle. Jeder Muskel meines Körpers tat mir vom Kraftakt der Geburt weh. Die strähnigen Haare waren in einem wilden Dutt zusammengebunden. Ich war voll. Voller Liebe, voller Stolz, voller Angst und voller Neugierde. Aber auch gleichzeitig leer. Auf einmal war da nur noch ich. Kein Baby mehr in meinem Bauch, stattdessen nur eine hohle, weiche Kugel, die dafür sorgte, dass mir außer dem Netzhöschen keine andere Hose aus meiner Krankenhaustasche gepasst hat. Auch nicht die Pyjamahose mit Gummizug. „Spätestens morgen passt sie mir“, redete ich mir ein und kroch wieder in BH und Netzhöschen ins Krankenhausbett zu meinem kleinen Baby.

Trotz Body-Positivity-Bewegung habe ich mich nicht einen Tag wirklich zu 100 Prozent in meinem Körper schön gefühlt. Bis ich schwanger wurde. 

Die Sache mit der Body-Positivity-Bewegung

Wie gefühlt jede Frau* in meinem Umfeld, die in den Neunzigerjahren geboren oder aufgewachsen ist, kämpfe ich schon seit dem Vorschulalter mit meinem Körperbild, meinem Essverhalten, Diäten und einer ungesunden Einstellung zu Sport. Ich kann traurigerweise sagen, dass ich mich trotz Body-Positivity-Bewegung noch nicht einen Tag wirklich zu 100 Prozent in meinem Körper schön gefühlt habe. Bis ich schwanger wurde. 

„Im heißen Sommer bin ich tagtäglich mit nacktem Babybauch durch Berlin marschiert.“

Nachdem sich meine anfänglichen Kreislaufprobleme legten und der Bauch wuchs, wuchs auf einmal auch ein ganz neuer Blickpunkt auf meinen Körper. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich diesen Teil nicht verstecken und kaschieren, sondern präsentieren. Nicht einmal als Teenager in den 2000ern habe ich einmal ein bauchfreies Outfit getragen. Mit Ende 20 und im 8. Monat schwanger aber habe ich alles nachgeholt und bin im heißen Sommer tagtäglich mit nacktem Babybauch durch Berlin marschiert. Zum ersten Mal in meinem Leben machten Cropped Tops und Low Waist Hosen Sinn! Die Blicke vieler geschockter Passant*innen haben mich nicht interessiert. Ich war schwanger, gesund und überglücklich. Daran konnte auch die Waage bei der Hebammenvorsorge oder die immer enger werdenden Hosen nichts ändern. 

Pregnancy-Style – aber nach der Geburt

Zwei Tage nach der Geburt war ich wieder zuhause und stand vor meinem Kleiderschrank. Laut diverser Vorher-Nachher-„Instagram“-Posts, denen man als Schwangere auf der For-You-Page einfach nicht entkommen kann, war ich in dem Glauben, dass spätestens jetzt der Bauch wieder kleiner werden sollte. Nach höchstens zwei Wochen wäre er dann wieder in seiner Ursprungsform. Spoiler: Auch fast sieben Monate nach der Geburt ist er das noch nicht. Mit angewidertem Blick zog ich die Cropped-Tops aus dem Schrank und warf sie frustriert auf einen Haufen, von zehn Hosen, die ich im Irrglaube der wundersamen Geburtsdiät hinausgelegt hatte, passte mir gerade einmal eine.

Also zurück in die ausgeleierten Pyjama-Pants, die ich in den letzten Monaten mit Hingabe getragen hatte. Doch der Anblick meines Sohnes, eingeschlagen in eine weiche Decke, friedlich schlafend im Baby-Nest, ließ mich die Kleiderschrankkrise schnell vergessen. Ich kehrte, ohne groß darüber nachzudenken, zu meinem Pregnancy-Style zurück und ersetzte einzig bauchfreie Tops mit Oversized-Hemden und lockeren T-Shirts, die sich zum Stillen eigneten. 

Sport erschien mir mit heilenden Geburtsverletzungen und einem schmerzenden Beckenboden als total abwegig und unvorstellbar, für eine Diät waren meine nächtlichen Still-Heißhungerattacken viel zu stark.

Die nächsten Wochen und Monate rückte mein Körper, trotz diverser Wehwehchen, die man nunmal nach einer Geburt haben kann, in den Hintergrund. Ich hatte schlicht keine Zeit und keine Energie, mich um mich zu kümmern. Sport erschien mir mit heilenden Geburtsverletzungen und einem schmerzenden Beckenboden als total abwegig und unvorstellbar. Für eine Diät waren meine nächtlichen Still-Heißhungerattacken viel zu stark. Süße Outfits gab es nur noch für mein Baby. Ich wurde zum „shameless Outfit Repeater“ und trug das gleiche immer und immer wieder, bis es voller Milchflecken war. 

Marie kurz nach der Geburt in Berlin – und mit ihrem Mann und ihrem Sohn.

Und dann kam der Tag, an dem ich in einen Laden ging, um eine Brille abzuholen und der charmante Verkäufer mich mit einem grinsenden Side-Eye auf meinen immer noch runden Bauch zu meinem zweiten Baby beglückwünschte. Auf einmal war es wieder da, mein Bewusstsein für meinen Körper. Ich hatte es nicht vermisst. 

Sich mit anderen zu vergleichen, ist, egal in welchen Belangen, meistens toxisch.

Die Sache mit dem Vergleichen

Denn zu dem Bewusstsein für MEINEN Körper stieß auf einmal auch das Bewusstsein für ALLE ANDEREN Frauenkörper, die ungefähr gleichzeitig mit mir ihr Kind bekommen hatten. Während ich noch drei Größen von meiner Lieblingsjeans entfernt war, sah ich auf „Instagram“ sich abzeichnende Sixpacks, durchtrainierte Arme, schlanke Oberschenkel und – ja, das tat mir persönlich am meisten weh – Frauen in ihren Pre-Pregnancy-Jeans. Sich mit anderen zu vergleichen, ist, egal in welchen Belangen, meistens toxisch. Erst recht, wenn es um ein so individuelles Thema wie den Körper geht, der sich unter anderem dank DNA nicht in Formen, Größen und Normen sperren lässt. 

Foto Credit: Janine Sametzky

Meine Rettung waren meine zwei Freundinnen, die gleichzeitig mit mir ihre Babys bekamen. Sie sind mein größter Anker in diesem ersten, so ereignisreichen Baby-Jahr. Wir teilen alles miteinander, jede Sorge, jeden Meilenstein – und so eben auch das Thema After-Baby-Body. Wir vergleichen uns alle mit den gleichen Frauen auf Social Media, wir alle teilen den gleichen weichen Bauch, der abends viel größer ist als morgens, und das Gefühl, dass wir niemals wieder in unsere Lieblingshosen passen werden. ABER: Wir können gemeinsam darüber lachen. 

Denn auch, wenn es ein blödes Sprichwort ist: Zusammen ist man weniger allein. Auch, wenn ich gerade mal wieder in einer Kleiderschrankkrise stecke und stiltechnisch gar nicht mehr weiß, wer ich bin, kann ich mir sicher sein: Mein Körper ist gesund, er hat das tollste Kind erschaffen, er funktioniert tagtäglich und lässt mich (und mein gestilltes Kind) nie im Stich. Also klicke ich auf „In den Warenkorb“ und bestelle meine Lieblings-Jeans eine Nummer größer. Who cares?! Eben, niemand. 


Text & Fotos: Marie Jaster

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