Vor vier Jahren hat sich Wiebke Kudernatsch mit Ubercreative, einem Product Design Lab, selbstständig gemacht. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Inken Petersen coacht die 39-Jährige Unternehmen und Verlage wie Otto, DM oder Fit for Fun darin, erfolgreich neue, digitale Produktkonzepte und Innovationen nah an den Kundenbedürfnissen und deren Nutzungskontext zu entwickeln. Wir treffen die gebürtige Schwäbin in ihrem Hamburger Office und sprechen mit ihr über ihre Arbeit, innovative Produktentwicklung und Teambuilding im Start-up.
Wir besuchen Gründerin Wiebke im Ubercreative-Büro in der Hamburger Neustadt.
Wiebke Kudernatsch: Wir unterstützen Firmen darin, erfolgreich neue Produkte zu entwickeln. Vor allem im digitalen Bereich. Dazu bieten wir Unternehmen Workshops an, stellen Teams zusammen, zum Beispiel aus Strategen, Entwicklern und Designern, die alle in einem Raum sitzen und gemeinsam neue Ideen und Konzepte entwickeln – und das in kürzester Zeit.
Wir als Produktexperten für User Experience Design (kurz UX) kommen ins Spiel, wenn man den Nutzer und seine Vorlieben im Kontext des digitalen Produkts besser kennenlernen möchte, zum Beispiel um einen komplexen Online-Shoppingprozess besser zu machen, damit weniger Kunden abspringen, intelligente Chatbots zu entwickeln, die Nutzer begeistern oder attraktive Fitness-Apps zu bauen, die auch eine männliche Zielgruppe ansprechen. Als UX Experten richten wir unsere Arbeit am späteren Nutzern der Anwendungen (Apps) aus: Das heißt wir unterstützen Firmen und Produktteams darin, erfolgreiche neue Software-Produkte für Smartphones, Tablets und für den Desktop zu bauen, deren Inhalte und Interface-Designs später bei den Zielgruppen auch gut ankommen oder sie sogar begeistern.
Design Thinking-Methoden als Basis für eine kreative und kollaborative Arbeitskultur, Prototyping für einen schnellen und greifbaren Ideen- und Designprozess, Experience Mapping Modelle, die helfen, komplexe Sachverhalte auf eine anschauliche Weise zu transportieren, diverse Canvas-Modelle für die Ableitung von Produktstrategien, aber auch Kreativtechniken wie Design Studio, die das Sketchen von Ideen in kollaborativen Arbeitssetups unterstützen. Des weiteren verschiedene User Testing Methoden von Interviewführung bis hin zu Ideen-Workshops mit Nutzern, um herauszufinden, was Kunden wollen und welche Ideen und Produkte sie favorisieren.
Nein, das wäre eher hinderlich. Es ist wichtig, die neu erlernte Arbeitskultur vor Ort zu etablieren, deswegen gehen wir direkt in die Unternehmen.
Meiner Geschäftspartnerin Inken und mir ist aufgefallen, dass unsere Arbeit im Bereich Produktmanagement sehr gefragt war. Allerdings funktionierte das nur so lange, wie wir im Unternehmen waren. Danach sind die Mitarbeiter wieder in ihre gewohnten Strukturen zurückgefallen. Wir möchten die neuen Arbeitsweisen langfristig im Unternehmen etablieren und das schaffen wir, in dem wir die Teams vor Ort coachen. Die Leute finden am einfachsten einen Zugang dazu, wenn wir an einem konkreten Projekt aus ihrem Bereich arbeiten.
Ich habe „Information Technology & Design“ an der Technischen Fachhochschule Lübeck studiert und an der Malmö Högskola “Konst, Kultur och Kommunikation” und das Studium als Diplom-Ingenieurin abgeschlossen. Das ist ein Studium, in dem ich sowohl Design und Programmierung als auch Methoden für die Ideenentwicklung im digitalen Produktkontext gelernt habe.
Du beschäftigst dich viel damit, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Welche Trends erkennst du?
Die Arbeit in Teams wird noch wichtiger. Multidisziplinär ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort. Idealerweise sollten Fachexperten aus verschiedenen Bereichen in einem Team zusammenarbeiten. Wir leben in einer Ideengesellschaft: Damit eine Idee erfolgreich wird, sollten sich im Entwicklungsprozess Experten aus unterschiedlichen Disziplinen einbringen.
Fachkenntnis alleine reicht oft nicht aus. Um erfolgreich im Team zu arbeiten, muss eine Basis entstehen, auf der sich die Teammitglieder verstehen und respektieren, dass jeder unterschiedlich ist. Erst, wenn ein Arbeitsumfeld geschaffen wurde, in dem sich die Leute aus der Komfortzone heraus trauen, entstehen großartige Dinge. Kollaborativ zusammenarbeiten und Kompetenzen zu vernetzen – das sind die Zutaten für eine erfolgreiche Produktentwicklung.
Grundsätzlich ist bei Start-ups es wichtig, Menschen zu gewinnen, die Schnittstellen-Kompetenzen besitzen. Das heißt beispielweise einen visuellen Designer einzustellen, der auch ein gutes konzeptionelles Verständnis besitzt oder einen Strategieexperten ins Boot zu holen, der weitreichende Social-Media Erfahrung hat und auch operativ unterstützen kann. In Start-ups hat man in der Regel nicht viel Geld und man muss Menschen mit Bedacht wählen. Das heißt auch hinter die Fachkompetenz gucken und sehen, was für Talente und Motivationen die Menschen haben und einbringen können.
Wiebke ist vor 13 Jahren nach Hamburg gezogen.
Die Konkurrenz schläft nicht. Alle an der Produktentwicklung beteiligten Personen müssen sich fragen, ob das Produkt bei der Zielgruppe ankommt. Um das herauszufinden, werden Zielgruppenprofile (Personas) erstellt. Bereits in frühen Phasen des Entwicklungsprozesses sollten außerdem Anwendungstests mit Prototypen durchgeführt werden. Sie geben Aufschluss darüber, wie das Produkt bei der Zielgruppe ankommt. Durch das Feedback kann das Risiko eines Flop-Produkts minimiert werden.
Gemeinsam mit Geschäftspartnerin Innen Petersen führt Wiebke ubercreative.
Zu Ubercreative zählt ein breit aufgestelltes Netzwerk aus Experten aus verschiedenen Bereichen.
Die Digitalisierung lässt neue Produktsparten entstehen. Durch den Fortschritt hat sich das Nutzungsverhalten in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft verändert. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass das Handy oder generell Mobile Devices immer wichtiger werden. Innerhalb kürzester Zeit werden neue Produkte entwickelt. Um hier mitzuhalten, muss der Entwicklungsprozess schnell und effizient sein.
In großen Unternehmen dauert es häufig länger, etwas zu verändern. Wenn wir in die Unternehmen gehen, haben diese aber oft schon einen größeren Leidensdruck und sind eher bereit ihre bisherige Arbeitsweise zu überdenken. In aller Regel wird unsere Arbeit sehr gut angenommen. Um sicherzustellen, dass sich die neue Arbeitskultur langfristig etabliert, betreuen wir die Unternehmen auch noch nach der Workshop-Phase. Es kann bis zu eineinhalb Jahre dauern, bis die Menschen in den Unternehmen die Arbeitsweise nachhaltig verändert und verinnerlicht haben.
Die Unternehmen kommen auf uns zu, zum Beispiel, wenn sie ein neues Produkt benötigen. Daraufhin suchen wir innerhalb von wenigen Wochen die passenden Experten dazu zusammen, entwickeln einen Prototypen und führen erste User-Tests durch.
Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt und die Frage, wie man sein Leben verbessern kann. Außerdem finde ich es unheimlich schön, wenn neue Dinge entstehen. Mein Herz schlägt höher, wenn aus einer erst sehr unkonkreten Idee ein Prototyp und letztlich ein Produkt wird, das wirklich Bestand hat.
Das Buch Value Proposition Design zeigt kreative Ansätze aus der Produktentwicklung. In Joy, Inc geht es um das perfekte Arbeitsumfeld und Reinventing Organizations macht anschaulich, wie effizientes Arbeiten, mit allen am Unternehmen Beteiligten, gelingen kann.
Interview: Lisa-Marie Vogler